Welchen Einfluß hat mein Ego-Ich auf mein Leben? Und welche Rolle spielt dabei mein physischer Körper?

Die Tage vergehen. Aber wie vergehen sie? Zu meiner eigenen Zufriedenheit? Freudvoll? Lustvoll? Wie blicke ich auf sie zurück? Warum bin ich zwar dankbar für alles, das ich erleben darf, aber unzufrieden mit mir selbst? Mir wird so viel vom Leben geschenkt! Jeden Tag. Immer wieder wunderbare Dinge, Ereignisse, Erfahrungen.

Aber ich bleibe in der Tiefe meines Herzens unzufrieden mit mir selbst. Auch wenn ich mich vor den Spiegel stelle und mir nette Sätze sage. Sätze, die ich schon als Kind hätte hören sollen – die aber niemals jemand zu mir gesagt hat. Jetzt tut es gut, sie zu hören, es ist aber auch immer wieder ein wenig peinlich.

Ich erblicke mich dann im Siegel und frage mich: zu wem sage ich das jetzt? Welches „Ich“ spricht da in mir? Spricht mein physischer Körper zu meinem Körper? Berührt es meine Seele, wenn ich mir in die Augen blicke?

Nur das Ego kann beleidigt werden

Ich trinke einen Schluck eisgekühlten Tee, den ich gestern für eine Freundin zubereitet habe. Sie kam auf Besuch zu mir. Aber sie trank nur ein einziges Glas Tee und verweigerte die anderen angebotenen Dinge. Ist das so üblich in Österreich? Oder schmeckte ihr schon der Tee nicht, von dem sie nur ein paar Schluck zu sich nahm? Die Kekse rührte sie gar nicht an. Komisch.

Ich mache es manchmal auch ähnlich, wenn ich auf Besuch bin, und es für mich als Veganerin, nichts zu essen gibt. Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, dass dieses Verhalten den Gastgeber beleidigen könnte. Und was ist überhaupt „beleidigen“? Das Ego fühlt sich zurückgewiesen und hat wohl Angst, dass es wertlos sein könnte. Denn wenn meine angebotenen Dinge zurückgewiesen werden, dann fühlt sich mein Ego-Ich auch gleich mit zurückgewiesen.

Mein physischer Körper ist nicht mein Ego

Mein Ego-Ich spielt sich im Laufe eines Tages öfters in den Vordergrund. Wir sind unser Ego so gewohnt, dass es uns erscheint, als wäre es das einzige „Ich“, das existiert. Es ist das „Ich“, mit dem ich am schnellsten lerne, mich zu identifizieren. Wer also blickt mir aus dem Spiegel entgegen, wenn ich hineinblicke?

Das ist weder Ego, noch Seele, noch bin „ich“ es. Es ist mein physischer Körper. Mein Körper, der mir das Leben als Seele auf dieser Erde ermöglicht. Die Zellen, Gewebe und Organsysteme. Ein Haufen Knochen, Bindegewebe, Muskeln, Sehnen, Haut. Ich nehme meine Augen wahr. Ich sehe die Vergänglichkeit des Körpers. Sein Altern wird mir bewusst. Mein physischer Körper verkörpert auch die Zeit, die ich auf der Erde verbringe und schon verbracht habe. Er erinnert mich an die Vergangenheit und die Zukunft.

Den eigenen Körper annehmen

Es macht mir unangenehme Gefühle, mich selbst im Spiegel zu betrachten. Dabei ist es ganz egal, ob ich dabei finde, dass ich ganz toll aussehe oder hässlich. Darum geht es gar nicht. Es geht für mich darum, MEINEN KÖRPER anzuerkennen und anzunehmen. Wenn ich den ersten Satz zu mir im Spiegel spreche, blicke ich mich an. Und der erste Satz lautet: „Ich sehe dich“.

Es ist mir jetzt ganz klar, wen ich sehe. Meinen Körper. Wie oft blicke ich in den Spiegel, nur um auszuschließen, dass mir die Kleidung verrutscht ist oder die Frisur in Ordnung ist. Aber mein physischer Körper ist nicht Kleidung oder Frisur. Mein Körper ist ein Wesen. Er besteht aus lebenden Zellen. Wenn ich mit diesen Zellen Kontakt aufnehme und beginne, sie wertzuschätzen, akzeptieren und zu lieben, dann werden sie zu LEBENDIGEN Zellen.

Wer sprich zu mir im Spiegel?

Ja mein Körper kann einfach „leben“ oder aber „lebendig sein“. Wenn er „lebendig“ ist, dann fühlt er sich wohl und ich kann es fühlen. Es fühlt sich für meinen Körper einfach gut an, wenn er wertgeschätzt und bedingungslos geliebt wird. Dann fühle ich dieses Aufleben in ihm. Endlich wird er gesehen, wahrgenommen. Dann strömt in alle Zellen Leben und Liebe. DAS ist das, was ich meinem Körper mit der einfachen Spiegelübung geben kann.

Halt! Wer ist das „Ich“, das diese Worte ausspricht? Ist das nicht auch mein Körper, der vor dem Spiegel steht und sich vorgenommen hat, diese Worte auszusprechen, der die Worte formt und mit Stimme versieht? Körper spricht zu Körper – Ich spreche zu mir selbst? Dreht sich dabei nicht alles im Kreis? Macht das Sinn?

Das Ego – Ich umgehen

Ja, es macht Sinn, weil das Ego dabei nicht bedient wird. Natürlich spricht mein physischer Körper zu meinem Körperspiegelbild, also wieder zu meinem Körper. Wenn mir ein anderer Mensch diese Dinge sagt, spricht auch ein Körper zu mir. Dann ist es eben ein  Körper einer anderen Person. Aber Sprechen und Hören sind körperliche Ausdrucksformen. Erst durch die Bewertung wird das Ego zugeschaltet.

Als Kind konnten wir uns nicht dagegen wehren, wenn wir mit Dingen „beschallt“ wurden, die unserem Körper nicht gut taten. Unsere Zellen reagierten und wir hatten keine Ahnung, warum das so war. Die Organe reagierten und reagieren noch heute „negativ“, wenn wir „Negatives“ zu hören bekommen. Unser Gehirn hat gelernt, damit zu leben und Kritik von allen Seiten als wichtiges Instrument wahrzunehmen, das uns zeigt, wie wir zu sein haben. Das Ego-Ich ist eine Erfindung unseres Gehirns.

Auch “Positives” nährt das Ego

Auch „Positives“ nehmen wir wahr. Es fühlt sich gut an und wir wollen mehr davon. Wir lernen, wie wir positive Reaktionen unserer Mitmenschen erreichen. Je nach Art der „Beschallung“ durch unsere Eltern in der Kindheit, sind uns positive Äußerungen anderer im weiteren Leben wichtig, sehr wichtig oder wir werden sogar abhängig davon, damit wir uns wohl fühlen. Dabei vergessen wir: Es spricht immer nur ein physischer Körper zu einem anderen Körper. Ein Körper teilt dir durch seinen Ausdruck mit, was er in dir sieht. Das kann angenehm sein, oder weh tun.

Im Laufe des Lebens lernen wir vielleicht sogar, vor diesen „Bewertungen“ Angst zu haben. Wir wollen nicht mehr von anderen bewertet werden. Wenn wir es schaffen, davon frei zu kommen, haben wir aber schon längst gelernt uns selbst zu bewerten. Und zwar so, wie uns andere bewerten würden. Unser Körper sagt jetzt das, was er von anderen oft genug gehört hat, zu uns selbst. Wenn wir in den Spiegel blicken und auch in anderen Situationen.

Wir wollen uns nicht eingestehen, dass wir nicht perfekt sind

„Bin ich toll!“, sagen wir selten zu uns und wäre, im Ego-Ich Modus ausgesprochen, eine Gegenreaktion auf ein gekränktes und verletztes Ego (so machen es Menschen mit narzissischer Persönlichkeitsstörung). Meistens sind es aber Abwertungen, die wir uns direkt oder indirekt an den Kopf werfen, oder ein diffuses Gefühl von Scham, das wir am liebsten unterdrücken – denn schämen sollte man sich auch nicht. Wäre es doch ein Schuldeingeständnis. Unsere, von anderen eingeredeten, körperlichen “Fehler” werden zum Problem. Mein Gehirn hat etwas vergessen? Wie peinlich! Am Besten vertuschen, damit es niemand bemerkt! Ich bin nicht mehr jung und schlank? Kaschieren! Übermalen! Abnehmen! Operieren!

Körper spricht zu Körper. Wir können zuerst einmal nur den materiellen Körper erkennen. Den eigenen und den der anderen. Dabei ist es egal, ob wir etwas zu andern sagen oder sie zu uns oder ob wir zu unserem Körper mit Hilfe des Spiegelbildes sprechen. Wir können beginnen, das Gegenüber zu erkennen, als das, was es ist: als sichtbarer Körper mit Fehlern. Wenn wir das tun, passiert etwas Wunderbares: Wir stellen fest, dass der materielle Körper nicht alles ist. Da gibt es noch etwas anderes in uns – und natürlich auch in anderen. Etwas Größeres.

Es ist die Seele. Die große Unbekannte.

 

 

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