Etwas Besonderes sein, Glück haben oder es einfach verdient haben, Schönes zu erleben und erfolgreich zu sein – das sind Gedankengänge, die ich bei mir nicht so einfach zulasse. Ja, ich bekomme sogar ein schlechtes Gefühl, wenn es mir “zu gut” geht und ich von positiven Ereignissen geradezu überschwemmt werde.

Eine Reise nach Wien

Gestern bin ich von einer kurzen Wien – Reise zurückgekehrt. Es war sehr, sehr schön. Ich konnte meine erwachsenen Kinder treffen und natürlich wieder mit meiner Freundin plaudern. Ich wurde verwöhnt. Auch von ihrem Freund wurde ich zum Essen eingeladen und ich traf noch zwei Freundinnen, mit denen ich verschiedenes unternahm. Und ich habe mich endlich dazu durchgerungen, die Pensionsversicherungsanstalt aufzusuchen, um mich zu erkundigen, ob ich irgendwann eine Chance auf eine Alterspension hätte. Jetzt habe ich also ein paar Aufgaben mit nach Hause gebracht.

Es ist unglaublich, dass sich in nur drei Tagen so viel Schönes und Wichtiges ereignet hat! Auch meine kleine Hündin war sehr brav und benahm sich wie ein richtiger Stadthund. Einfach toll. Mein Auto brachte uns beide sicher, gut und schnell nach Wien und wieder zurück und die Fahrtkosten hat mein Vater übernommen.

Ich fühle mich vom Universum beschenkt, bereichert und geführt. Mit absoluter Sicherheit wurde ich auf dieser Reise zu den für mich schönsten und wichtigsten Zusammentreffen geführt. Einiges war zwar „geplant“, anderes aber überhaupt nicht. Eine Bekannte, mit der ich Donnerstag Abend in Wien ausging, lief mir einfach so über den Weg. Kurze Zeit später rief sie mich an und fragte, ob ich sie begleiten wollte. Es gab einen Vortrag über „Glück“ und anschließend spazierten wir durch die Wiener Innenstadt.

Zweifel und destruktive Gedanken

Ich lernte neue Menschen kennen und genoss die Zeit. Mit meiner Freundin, bei der ich wohnte, fühlte ich mich wohl und führte tiefe Gespräche. Es sind diese Gespräche, die uns verbinden. Ich bin so glücklich und dankbar für die Möglichkeit, in Wien ein Zimmer zur Verfügung zu haben. Und meine Hündin darf auch mitkommen. Das ist wunderbar! Meine Freude und Dankbarkeit überwiegt den manchmal aufkommenden Zweifel, ob mir denn das alles zustünde und ob ich so viel Glück verdient hätte.

Ich fühle diese Zweifel und bemerke meine Gedanken dazu: „Wenn es dir jetzt so gut gegangen ist, kann das nicht so weiter gehen. Du hast kein Recht darauf, dass es dir gut geht! Diese glückliche Zeit muss wohl eine Ausnahme gewesen sein und ab jetzt geht es wieder zurück in die Schwierigkeiten und das anstrengende Leben, das es auch gibt…“

Und so weiter und so fort. Diese Stimme ist zwar leise und ich könnte sie problemlos wegschieben, aber da ich mich nun einmal liebe, möchte ich keine meiner Schöpfungen ignorieren. Denn auch diese (negativen) Gedanken habe ich erschaffen. Sofort kommt die Angst auf, dass negative Gedanken auch negative Ereignisse hervorrufen. Sollte ich sie also nicht doch besser wegschieben? Einfach weil sie schädlich sind?

Negative Gedanken wegschieben um weiter Glück zu haben?

Nein. Ich erkenne meine Gedanken und indem ich sie hier aufschreibe, dürfen sie existieren, erhalten aber keine Macht über mich. Denn ich erkenne auch, dass diese Gedanken nicht von jetzt sind sondern dass sie aus meiner Kindheit stammen. Ich kann mich daran erinnern, dass ich vor Schularbeiten und Prüfungen Angst hatte, zu versagen. Wenn dann das Ergebnis schlecht war, sah ich es als Strafe an und wenn es gut war, dachte ich, dass ich kein wirkliches Recht darauf hätte. So konnte ich mich niemals über ein Prüfungsergebnis oder über die Schule überhaupt freuen.

Ich hielt mich für abgrundtief schlecht und bei Prüfungen würde das zum Vorschein kommen. Ich würde „Glück“ benötigen, um eine gute Note zu bekommen. Wenn ich sie bekam, freute ich mich zwar kurz darüber, aber ich wusste auch, dass dieses Glück nicht für ewig anhalten würde und schon bei der nächsten Schularbeit konnte ich wieder versagen. Niemals hatte ich das Gefühl, eine gute Note „verdient“ zu haben. Das Schicksal war nur kurz gnädig mit mir gewesen. Ich selbst fühlte mich ohnmächtig und hatte das Gefühl, meine Prüfungsergebnisse nicht beeinflussen zu können.

Keine Fotos von wichtigen Ereignissen

Ob es ein Zufall ist, dass es keine Fotos von meiner Matura, von meiner Abschlussfeier als Diplomkrankenschwester und von meinem Abschluss des Studiums gibt? Von meiner Promotion ganz zu schweigen. Nichts. So, als hätten diese Ereignisse, die ich selbst erschaffen habe, niemals stattgefunden. Entweder hatte niemand fotografiert oder die Fotos gingen verloren oder es gab überhaupt keine Feier.

Vorhin musste ich das Schreiben kurz unterbrechen, weil meine Hündin hinaus wollte. Ich brach also mit ihr zu unserem täglichen Morgenlauf auf. Als ich auf die Straße kam, bemerkte ich zwei Wanderinnen, die ich freundlich grüßte. Sie grüßten zurück und die eine sagte, mit Blick auf meine Füße: „Sie sind schon was ganz Besonderes, weil sie barfuß laufen“. Ich gab zurück, dass wir alle etwas ganz Besonderes wären.

Langsam kam bei mir die Botschaft an.

„Sie sind etwas ganz Besonderes“.
„Wir sind alle etwas ganz Besonderes“.

Wir sind alle etwas ganz Besonderes

Die Worte, die die Wanderin und ich selbst ausgesprochen hatten, passten wie angegossen zu den heutigen Morgenseiten (die ich kurz unterbrochen hatte, um mit meinem Hund hinaus zu gehen) . Nichts ist Zufall. Wir können gar kein „Glück haben“. Es passiert immer das, was für unsere Entwicklung im Moment notwendig ist. Das ist sehr häufig etwas anderes, als ich plane oder mir vorstelle. Alle Ereignisse enthalten eine Botschaft. Egal, ob wir ein Ereignis als „Glück“ oder „Pech“ bezeichnen, als angenehm oder unangenehm, jedes Ereignis hält eine Botschaft für uns bereit.

Wenn die Antwort des Universums in menschlichen Worten, klar und deutlich und innerhalb von Minuten kommt, bin ich erstaunt. Und so erhielt ich wirklich die Antwort auf meine aufgeworfenen Frage, ob ich mein „Glück haben“ verdient hätte:

Ich bin etwas ganz Besonderes – und jeder andere auch.

Ob ich es schon glauben kann, oder nicht, ist dabei zweitrangig.

 

 

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