In uns allen steckt ein Lied, das wir singen wollen. Dieses Lied wird “Seelenlied” genannt und ist ein echtes Lied, das uns an unsere tief in uns schlummernden Aufgaben im Leben heranführt.
Ich singe. Ich singe das Lied meiner Seele, mein Seelenlied. Jeden Tag und jedes Mal verändert es sich ein wenig oder sogar sehr. Manchmal werde ich gefragt, wie das geht, so eine Melodie, Laute oder Worte zu finden. Die Antwort ist wie bei so vielem: Die Tätigkeit muss im Jetzt stattfinden, soll heißen, man kann sich nicht vornehmen, irgendetwas Bestimmtes zu singen. Bei mir auch ganz wichtig: Ich muss jeglichen inneren Kritiker ausschalten.
Ja, manchmal klingen die Töne nicht so toll, wird die Stimme zittrig oder verliert an Volumen. Dieses oder jenes hätte ich besser machen können. Glaube ich zumindest, weil man mir das so eingeredet hat. Doch der Sinn meines Seelenliedes ist es nicht, gehört und bewertet zu werden. Bewertung würde alles zerstören. Also darf ich selbst mein Lied und das, was aus meinem Mund erschallt, auch nicht bewerten.
Mit meinem Seelenlied drücke ich mein Wesen aus
Es benötigt Mut und ein wenig Know-How, wenn man sich auf die Suche nach dem Seelenlied macht. Das Schwierigste wird wohl für viele sein, ein ruhiges Plätzchen zu finden. Am besten ist es gleich, sich damit abzufinden, dass das nicht möglich ist. Irgendjemand wird mich immer „trällern“ hören. Auch hier bei mir im Haus hört mein Vater im Obergeschoss sehr wahrscheinlich mein Singen. Vielleicht dringt es sogar bis zu den Nachbarn, wenn ich einmal das Fenster offen haben sollte.
Mein Singen ist mein Ausdruck. Genauso, wie mein Lachen, das Blödeln oder der Tanz. Mein ganzes Leben musste ich das unterdrücken, um niemanden „zu belästigen“. Wer weiß, wie vielen anderen Menschen es genauso geht? Es gibt da unausgesprochene, aber strenge Regeln, die darüber bestimmen, ob und wann man sich ausdrücken darf, oder nicht. Vor allem muss es „gut“ sein, was man tut. Was immer „gut“ ist. Aber auch dafür gibt es gesellschaftliche Kriterien.
So werden die allermeisten Seelenlieder unterdrückt. Wir lernen, unseren Ausdruck zu verleugnen. Statt uns AUSzudrücken, UNTERdrücken wir uns selbst. Selbstbeherrschung, Disziplin, Rücksichtnahme…..das sind Werte, die uns vermittelt werden. Nichts gegen diese Werte, solange sie unseren Selbstausdruck nicht unterbinden. Ein Glück hat, wer gerne malt, denn das ist wenigstens lautlos.
Ich plädiere nicht dafür, dass wir rücksichtslos am Sonntag morgen um sechs laut zu singen anfangen und damit die Nachbarn stören. Aber sind wir wirklich nicht selbst in der Lage, zu fühlen, wann der richtige Zeitpunkt für Singen und Lachen ist – und wann Rücksichtnahme und Stille angebracht ist? Muss so etwas wirklich mit (geschriebenen und ungeschriebenen) Gesetzen geregelt werden? Und wenn auch: ließen uns diese Gesetze nicht doch noch genug Spielraum, um uns zu entfalten?
Rücksichtnahme und Peinlichkeit
In Wahrheit geht es nicht um Rücksichtnahme auf die anderen. Es geht darum, dass es „peinlich“ ist, wenn mich andere hören. Mir selbst ist es peinlich und den anderen auch. Also verstummen wir alle und schweigen so, als ob es unsere Natur wäre. Laute Musik dagegen darf zu manchen Zeiten ohne Probleme erschallen – solange man nicht sichtbar für andere (zum Beispiel am Balkon) dazu zu tanzen anfängt. Womöglich noch allein! Wahnsinn!
Erst ab einer bestimmten Anzahl von Menschen, die mitmachen, ändert sich die Sichtweise der „Zuschauer“. Ganz Besonders, wenn das im Rahmen eines Selbsterfahrungsseminars, eines Lachclubs oder eines Flashmobs geschieht. In dem Moment findet eine Art „Erlaubnis“ statt, sich zu entfalten. Kaum ist dieser Anlass wieder vorbei, ist die gesellschaftliche Duldung und die damit verbundene Selbsterlaubnis auch wieder vorbei. Wir kehren zurück zur Ernsthaftigkeit und würden niemanden mit unserem ganz persönlichen Ausdruck, wie zum Beispiel einem Seelenlied, belästigen. An diesen Zustand sind wir alle gewöhnt, so dass wir sogar meinen, dass uns nichts fehlt.
Unser Seelenlied fehlt uns
Doch das stimmt nicht. Es fehlt uns etwas, wenn wir uns nicht mehr ausdrücken dürfen, wie es uns gefällt. Unsere Individualität geht verloren. Unsere Stärken gehen verloren. Ja, sogar unser Sinn des Lebens geht verloren. Wir können unsere Aufgaben hier auf der Erde nur mehr sehr eingeschränkt erfüllen, erkennen sie gar nicht mehr. Unser Gehirn wird nämlich auch darauf trainiert, die persönlichen Fähigkeiten abzublocken. Nach ein paar Jahren, die wir in so einer Gesellschaft leben, kennen wir uns gar nicht mehr. Unser Seelenlied ist dann verschüttet.
Wir verlernen das, was uns angeboren war, weil wir diese Fähigkeiten nicht benutzen. Deshalb entstanden in den letzten Jahren Selbstfindungsseminare, in denen versucht wird, die Teilnehmer an ihre eigene Kreativität und ihre Lebensaufgabe heranzuführen. Das soll dann, bitteschön, schnell und möglichst an einem Wochenende geschehen. Mehr Zeit haben wir für solche Dinge nicht. Die Arbeit und das Geld verdienen wartet (nicht). Doch: Nur wenn wir unseren innersten Ausdruck wirklich wieder entdecken und zulassen, können wir überhaupt erahnen, was in uns steckt und warum wir auf dieser Erde gekommen sind. Dazu ist aber ein Wochenende viel zu kurz.
Vertrauensvolles und lustvolles Training
Es geht um eine radikale Umstellung im täglichen Leben. Tatsächlich erfordert es tägliches Üben und Training, um sich selbst wieder zu finden. Ganz zu schweigen, wie viel Training nötig ist, um seine vernachlässigten Fähigkeiten zu entwickeln! Aber welche Freude darin steckt, wenn ich mein Seelenlied singe und mich in jeder freien Minute so ausdrücken kann, wie es mir in die Wiege gelegt worden ist! Kinderleicht und freudvoll könnten wir viel Zeit des Tages damit verbringen, unsere Talente weiterzuentwickeln und – in Verbindung mit den Talenten anderer Menschen – zu ungeahnten Höhen zu bringen!
Das alles findet in der Realität nicht statt, weil die gesellschaftlichen Normen andere sind. Diesen Normen haben wir uns unterzuordnen, um uns wohlfühlen zu dürfen. Wer etwas tut, das außerhalb dieser Normen steht, befindet sich allein auf weiter Flur. Die Mutigen lassen sich davon nicht abhalten, wenigstens ab und zu ihr Ding zu machen, sich selbst zu fühlen und und ihr innewohnendes Seelenlied zu singen, das an die Oberfläche will. Doch die Masse der Menschen, die den Ausschlag dazu geben könnten, dass durch das Ausleben des persönlichen Ausdrucks neue Dinge entstehen, verhindert genau das: Das Erleben der Lebensfreude und die Abkehr von unnötigen Ersatzdingen, die unsere Welt über kurz oder lang zerstören.
Meine Aufgabe ist es nicht nur, selbst meinen persönlichen Ausdruck zu leben, sondern ich will Inseln der Lebensfreude schaffen, wo sich Menschen regelmäßig treffen können, einfach um sich die Erlaubnis zu erteilen zu lachen und alle möglichen scheinbar unnötigen Dinge zu tun. Nichts davon ist unnötig. Im Gegenteil, es ist sehr wichtig zu erfahren, wie wir wieder zu uns selbst zurückfinden können, indem wir unseren ureigensten, persönlichen Ausdruck zulassen. Das Seelenlied gehört dazu. Auf solchen geschützten Inseln, wo es keine Kritiker, dafür aber viel Lachen und Ermunterung gibt, ist das möglich.
Komm auf die Insel: Was sind Lachclubs?
Willst du dein Seelenlied entdecken? Hier habe ich gelernt, mein Seelenlied zu singen
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