Dienstag, 5. Februar 2019
Es ist strahlendes Wetter und deshalb habe ich heute vor, wieder eisschwimmen zu gehen. Gestern war es nicht möglich, weil ich beim Repair-Café mitgeholfen habe. Ich erlebte Stress mit vielen Leuten, die alle etwas von mir wollten und erkannte, dass ich die gestellten Aufgaben doch bewältigen konnte. Mit den Malen, die ich jetzt schon mithelfe, hat sich so etwas wie eine Routine eingeschlichen. Nur so ist es möglich, schnell und effektiv zu arbeiten. Von fehlerlos kann natürlich keine Rede sein.

Zur Feier des 50. Repair-Cafés wurde auch gesungen und getanzt. Ich habe das Video gestern Abend auf FB gefunden. Lustig. Und doch, ich halte nach mir Ausschau und bin nicht zufrieden mit mir. Ich sollte schlanker sein, hübscher aussehen. Diese Gedanken über mich nehme ich zur Kenntnis. Vor kurzer Zeit gab es auch einen Anlass mich zu „schämen“, als mich meine Freundin daran erinnerte, dass ich in Ecuador einmal öffentlich gesungen hatte. Ich hatte im Moment des Auftritts schon gewusst, dass es nicht besonders gut war.

Singen als persönlicher Ausdruck

Ah ja, das Singen! Es ist eine Leidenschaft von mir. Ich fühle in mir, dass über den Ausdruck der Musik vieles hinaus will aus mir. Das geschieht in erster Linie durch tanzen, aber ich würde auch gern singen (können). Wie soll ich aber allein singen? Benötigt man dazu nicht eine Begleitung? Und vor allem: Für wen soll ich singen?

Ich glaube, dass alles, was wir ausdrücken, für irgend jemanden geschehen soll. Sicher, auch für einen selbst, aber es sollte auch anderen damit gedient sein. Das könnte sein, andere zu berühren. Was dann mit ihnen geschieht, wird von Situation zu Situation unterschiedlich sein. Vielleicht wiegen sie sich im Takt der Musik oder gehen mit, freuen sich und lachen. Singen ist Musik. Auch Tanzen hat mit Musik zu tun. Und Musik ist Ausdruck von Lebensfreude.

Auch wenn es melancholische Musik ist. Auch in trauriger Musik können wir miteinander verbunden sein. Ergriffenheit drückt für mich genauso die innere Lebensfreude aus. Unsere Gefühle, die gelebt werden dürfen und die wir mit anderen teilen, sind immer notwendig, um letzten Endes Lebensfreude zu empfinden. Ohne Lebensfreude ist unser Leben nur ein „dahin vegetieren“.

Im Sress geht das, was wir wirklich sind, in der Tätigkeit verloren

Als ich gestern beim Annehmen der Geräte zur Reparatur einen starken Stress verspürte, beobachtete ich mich dabei. Es war nicht schlimm, aber ich erkannte, dass das, was ich wirklich bin, in der Tätigkeit verloren geht. In so einer Situation mit Stress fühle ich mich wie eine Maschine – die übrigens ganz und gar nicht perfekt ist. Auch von den Menschen werde ich nicht mehr als lebensfrohes Gegenüber wahrgenommen, sondern als jemand, der dafür sorgen soll, dass alles so schnell wie möglich geht. Die Warteschlange an der Annahmestelle war den ganzen Vormittag sehr lang und schien nicht kürzer zu werden, obwohl wir teilweise schon zu dritt arbeiteten.

Trotzdem machte mir die Erfahrung irgendwo Spaß. Ich fühlte, dass ich gebraucht wurde. Jede/r von uns arbeitet auf freiwilliger Basis im Repair-Café. Ich tue es, um in Kontakt mit Menschen zu kommen und einmal im Monat zu erfahren, dass ich gebraucht werde. Ich frage mich, ob das jetzt gut oder schlecht ist, wenn ich es genieße, wie meine Arbeitskraft benötigt wird und ich helfen kann?

Fühle ich mich wertvoller, wenn ich gebraucht werde?

Eindeutig, ja. Es ist so angenehm, an verantwortungsvoller Stelle zu stehen und mit den Kolleginnen und Kollegen, die die Dinge reparieren, zusammen zu arbeiten. Ich werde oft um Rat gefragt, was die organisatorischen Dinge anbelangt. Ich selbst frage auch um Rat, wenn es notwendig ist. Das alles ist – oberflächlich gesehen – sehr „weltlich“, Business eben. Aber schon ganz wenig unter der Oberfläche kommt das Spirituelle zum Vorschein. Ich muss nur hinsehen und tue es auch immer wieder, wenn ich mitten im Stress kurz Luft schnappen kann. Ein Wort, eine Bitte, ein kurzes Lächeln für die Kollegin – und schon ist ein kleines Türchen zum Himmel aufgestoßen worden.

Um sich gleich danach wieder zu schließen. Schreiben, Daten eintragen, Nummer aufkleben, Gerät annehmen. Dann verschwindet alles andere im Außen, nur noch meine Tätigkeit und der Mensch, der vor mir steht und etwas von mir will, sind in meinem Focus. Bis sich kurz danach wieder eine Wolke vom Himmel zurückzieht und Einsicht gewährt. Es findet immer wieder statt und ist klar und deutlich für mich erkennbar.

Ich will ich selbst sein dürfen

So ist es, wenn ich mit anderen Menschen lache oder singe oder einfach ich selbst bin. Mit meinem ganzen Körper und Ausdruck will ich mich annehmen und genießen. Dann fühlen sich alle um mich herum wohl. Wenn ich eine Blockade oder Abwehr fühle, dann ziehe ich mich zurück, denn ohne mich zu öffnen ist eine Beziehung zu anderen für mich uninteressant. Ich will ich selbst sein dürfen und durch meinen Ausdruck und mein Sein einen kleinen Beitrag zum besseren Leben auf dieser Erde beitragen. Es gibt genug Stress und andere Situationen, die uns von unserem wahren Selbst ablenken.

Mit dem, was ich ausdrücke, will ich ein Gegengewicht dazu bilden. Der Ausdruck meines Innersten besitzt einen Wert, auch wenn er nicht in Geld aufgewogen werden kann. Der Ausdruck jedes Menschen besitzt diesen Wert und ich glaube fest, dass wir nur dadurch, dass wir uns uns selbst und der Welt hingeben, eine „bessere“ Welt erschaffen werden.

Im Jetzt gibt es keinen Stress

Dafür muss der Raum und die Möglichkeit erschaffen werden. Wenn ich an die „Stresssituationen“ gestern denke, glaube ich, dass auch diese vermeidbar gewesen wären – wenn sich alle Beteiligten im Modus des Ausdrucks der Liebe, im Jetzt, befunden hätten. Dann wäre das Anstellen und Warten für die Menschen schon die reine Freude gewesen und die Zeit wäre wie im Flug vergangen, während wir „Damen an der Rezeption“ mit Freude, Charme und Humor um einiges langsamer, aber auch bewusster gearbeitet hätten.

Es ist die Unbewusstheit, die uns Probleme bereitet. Wenn wir nicht wahrnehmen können, was wirklich in und um uns herum passiert, dann stumpfen wir innerhalb von Sekunden ab und das, was wir tun, wird nur mehr zu einer Aufgabe, die wir zu erledigen haben. Da gibt es keine Freude mehr am Sein, am eigenen Ausdruck. Der Mann oder die Frau, die sich nur 20 Zentimeter entfernt befindet, wird nicht mehr als Ausdruck des Göttlichen wahrgenommen.

Unbewusst zu leben verhindert die Lebensfreude

Dann sieht man nur noch Menschen, die eine riesige Schlange bilden und – in meinem Fall – „abgefertigt“ werden müssen. Oder den Menschen, der vor einem in der Reihe steht und „ewig“ braucht, bis er oder sie fertig ist, damit man selbst sein kaputtes Gerät abgeben kann. Man bemerkt Mängel, eine lange Wartezeit und überhaupt alles, was dem im Wege steht, dass man so schnell wie möglich wieder weggehen kann. Etwas „zu erledigen“ steht im Vordergrund. Das bewusste Leben ist es nicht. Warten ist nicht leben. Und Kunden bedienen auch nicht. Wenn ich also arbeite oder ein Kunde wartet (womöglich sogar eine lange Zeit), dann „leben“ wir beide nicht.

Nach einem kurzen Lächeln halte ich meinen Blick nur noch auf das Papier gerichtet, wo ich die Daten des Kunden aufschreibe. Ich frage immer die gleichen Dinge und schreibe sie so schnell wie möglich, so vollständig wie möglich und so leserlich wie möglich nieder. Ich weiß, was ich zu tun habe und tue das auch. Ich gebe Termine aus, und nehme die Geräte an. Der Kunde tut auch, was von ihm erwartet wird: Er oder sie gibt die gewünschten Daten an, erklärt, was bei seinem Gerät nicht funktioniert, erkundigt sich, was er tun soll und steht wartend da, während ich schreibe und tue, was notwendig ist, damit sein kaputtes Gerät von einem Experten gecheckt und repariert werden kann.

Die Unbewusstheit bewusst erleben

Ich erlebe das alles bewusst. Das Abdriften in Buchstaben und Zahlen, die automatischen Handbewegungen. Die Routine, die eine große Hilfe ist. Und das immer wieder stattfindende Herausgleiten aus der Gegenwärtigkeit, meinem ganz persönlichen Ausdruck, dem Göttlichen Leben. Ich erfahre auch, wie Menschen mich überreden, überrumpeln und über meine Grenzen gehen. Ich gebe nach, werde schwach und bekomme prompt die Rechnung präsentiert, weil ich danach Fehler mache oder noch mehr in Stress komme.

Ich erkenne aber all das ziemlich rasch und sehe, wie schnell man in unangenehme Situationen gelangen kann. Für mich ist jede Situation unangenehm, wo mein persönlicher Ausdruck und mein Bewusstsein für den jetzigen Augenblick verloren geht. Es passiert oft. Aber ich rufe mich auch oft wieder ins Jetzt zurück, hebe den Blick und sehe mein Gegenüber lächelnd an, atme und finde wieder zu mir selbst zurück.

Der Atem bringt mich zu mir selbst zurück

In dieser Sekunde stehe ich in Kontakt mit mir, mit meinem Gegenüber und mit allem um mich herum. Der Atem ist es, der mich zurückbringt. Auch wenn das nur einige Sekunden in Anspruch nimmt, fühle ich gleich wieder, dass ich – schnell, schnell – weiter machen soll und verliere mich sehr bald wieder im Tun und dem Drang, meine Aufgabe, wo gut wie möglich zu erledigen.

Wie oft frage ich mich, was meine Lebensaufgabe ist. Ich weiß schon, dass es mit dem eigenen Ausdruck und der Lebensfreude zu tun hat. Ich weiß, wie man echte Lebensfreude erreichen kann, Dafür benötigt man kein Geld und nicht einmal viel Zeit. Manchmal genügt ein gemeinsames Kichern. Es findet sich immer was zum Kichern. Und sei es nur, wenn wir über den Ernst lachen, mit dem wir unsere Arbeit und Aufgaben meistern.

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