Ohne uns darüber bewusst zu sein, fungieren wir alle als Spiegel für andere Menschen in unserem Leben. Diese universelle Eigenschaft, die wir alle besitzen, ist nicht immer angenehm, weder für den, der spiegelt, noch für den, der gespiegelt wird.
Es ist sommerlich heiß. Ich überlege, ob ich einkaufen fahren soll. Jetzt, um acht Uhr morgens Normalzeit, ist die Luft draußen schon so aufgeheizt, dass ich nicht mehr auf der Terrasse sitzen will und froh bin, dass ich das tägliche Laufen heute hinter mich gebracht habe. Schon vor einer halben Stunde war die Hitze zu spüren.
Der See ist auch schon so aufgewärmt, dass man das Gefühl hat, in lauwarmes Wasser zu steigen. Gestern war ich mit meiner Hündin an einer Stelle schwimmen, wo auch Hunde ins Wasser dürfen. Drei Mal habe ich sie ins Wasser hineingetragen und drei Mal ist sie brav ans Ufer geschwommen. Man hat gemerkt, dass es angenehm für sie war.
Zu Hause in Österreich
Ich habe mich an mein neues zu Hause in Europa, in Österreich und vor allem auch in meinem Elternhaus gewöhnt. Es fühlt sich gut und richtig für mich an. Alles, was ich erlebe, kommt mir ein wenig bekannt vor und ist doch so neu. Es ist schon komisch: In genau diesem Elternhaus, wo ich sehr viel Unangenehmes erlebt habe, fühle ich mich wohl.
Ich lerne, meine Macht zu mir selbst zurückzunehmen. Die Macht über die Dinge, die ich zulassen oder verhindern kann und auch die Macht über meine Gedanken und Gefühle. Es fühlt sich wunderbar an, wenn ich nichts unterdrücken muss, weil ich weiß, dass ich mich auf mich selbst verlassen kann. Auch unangenehme Gefühle dürfen da sein. Ich weiß, dass mir nichts passieren kann, weil ich mich sofort aus jeder mich schädigenden Situation heraus nehme.
Das kann ich nämlich immer. Wenn mich jemand in einer Art behandelt, die mich beleidigt oder verletzt, kann ich gehen. Danach kann ich meine Gefühle trotzdem noch wahrnehmen, mich aber gleichzeitig bei mir bedanken, dass ich getan habe, was getan werden musste. Niemand kettet mich heute mehr in Situationen fest, die ich durchstehen muss. Das ist ein sehr angenehmes Gefühl.
Es geht nicht um Anpassung, sondern um Erkenntnis
Ich könnte mich jetzt fragen, warum ich immer wieder in solche Gelegenheiten gerate, wo ich abfällig behandelt werde oder ich mich selbst als störend empfinde. Ganz sicher passe ich nicht in jedermanns Tagesablauf. Meine Handlungsweisen und Reaktionen kann nicht jede/r verstehen. Deshalb glaube ich ganz fest daran, dass genau diese unangenehmen Menschen und Situationen vom Universum geschickt werden, damit ich daraus lernen kann.
Dabei geht es nicht darum, dass ich mich verändere und mich an jeden Menschen und an jede Situation anpasse. Es geht darum zu erkennen, wenn ich mit den falschen Menschen zusammen bin. Mit Menschen, die nicht zu mir passen, die mich und meine Worte, meine Handlungsweisen, nicht verstehen können. Das zu erkennen ist auch gar nicht schwierig. Den richtigen Schluss aus diesen Situationen zu ziehen, ist das, was ich lernen muss.
Ich bin dein Spiegel
Bis jetzt war meine Schlussfolgerung immer die: „Ich mache irgendetwas falsch, weil mich der andere nicht aushalten kann. Ich bin falsch. Also muss ich mich anpassen, ändern“. Eine sich wiederholende negative Situation mit anderen Menschen „bewies“ mir, dass ich (noch) nicht in Ordnung war und weiter an mir arbeiten musste. Erst, wenn ich in „Dauerharmonie“ mit anderen würde leben können, hätte ich mein Ziel (ein normaler Mensch zu sein) erreicht.
Ich fragte mich nicht, ob ich auch einfach so in Ordnung war, auch wenn mich andere Menschen nicht verstehen konnten. Meine Aufgabe ist es eigentlich, nach meinen Vorstellungen von gut und böse zu leben und niemandem zu schaden. Wenn ich selbst erkenne, dass ich niemandem etwas Schlechtes zufüge, dann muss das reichen. Niemand anderer muss meine Handlungen beurteilen. Es mag schon sein, dass ich anderen sehr häufig ihren eigenen Spiegel vorhalte – ohne es zu bemerken oder es absichtlich herbeizuführen. Das Umgekehrte passiert auch mir oftmals. Meine Mitmenschen werden zum Spiegel für mich. Wir dürfen uns im Verhalten anderer erkennen und unsere Schlüsse daraus ziehen.
Wegweiser in unserem Leben
Niemals aber ist ein Mensch abgrundtief schlecht. Jede Reaktion eines Gegenübers – und somit das, was ich imSpiegel sehe – ist dazu da, uns etwas zu lehren. Nein, es geht nicht darum, sich gesellschaftlich perfekt anzupassen. Die Lehre kann eine ganz andere sein. Jede/r muss sie für sich selbst entdecken. Ich habe für mich entdeckt, dass es in meinem Leben nicht darum geht, dass andere mir spiegeln, dass ich „wunderbar“ sei. Im Gegenteil. Es kann durchaus sein, dass sie mich als schwierig und unangenehm empfinden. Solange ich im Einklang mit meiner Ethik und Moral handle und lebe, habe ich mir selbst nichts vorzuwerfen. Meine Aufgabe ist es offensichtlich, nicht immer nur angenehm zu sein.
Diese Aufgabe hat übrigens jeder von uns, denke ich. Die Menschen, die uns zur Weißglut treiben oder einfach nur ein wenig „unangenehm“ sind, sind die wichtigsten Wegweiser in unserem Leben. Ich bin wohl auch so ein „Wegweiser“ für manche Menschen. Das könnte ich gar nicht ändern, auch wenn ich es wollte. Und jetzt….will ich es gar nicht mehr. Ich lache, wenn ich lachen will und schweige, wenn es mir danach ist. Manchmal bin ich gesprächig und trage mit guter Laune zu einem guten Gesprächsklima bei. Und dann ist es wieder nicht so.
Im Spiegel liegt die Erkenntnis
Ich habe auch das Recht, mich in den Augen von anderen zu „verändern“. Wer über mich urteilen will, wird immer etwas finden, was ihm gefällt oder was er oder sie nicht mag. So ist das nun einmal. Das sagt nichts über meinen Wert als Mensch auf dieser Erde aus. Es gibt immer einen Grund, warum wir gerade jetzt genau hier sind und so handeln, wie wir es tun. Das kann bewusst oder unbewusst geschehen. Das richtet sich ganz nach dem, wie weit wir spirituell fortgeschritten sind. Immer aber werden wir als Spiegel für andere fungieren.
Wie sagte es so schön ein Freund von mir: Gutes Zusammenleben gelingt erst, wenn wir uns selbst geheilt haben. Wenn wir irgendwann ganz und heil sind. Vorher wird unser Gegenüber immer spiegeln, was in uns noch nach Heilung ruft. So einfach ist das. Mit dem Wert des Einzelnen hat das nichts zu tun. Im Erkennen, was wir aus den Reaktionen der anderen lernen dürfen und was sie mit uns selbst zu tun haben, liegt unsere Aufgabe und die Chance zu einem neuen Verständnis.
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