Die Menschen um mich herum haben am letzten Sonntag im März ihre Uhren auf Sommerzeit vorgestellt. Ich nicht. So kann ich den Tag gemütlicher beginnen und muss nicht so zeitig schlafen gehen.
Herrlich, wie mein indischer Chai die Kehle hinunter fließt und mich wärmt! Dabei ist es gar nicht kalt, im Gegenteil. Ich war schon mit meiner Hündin laufen im hellen Sonnenschein und es war sehr warm. Ich habe mir überlegt, auf der Terrasse zu schreiben, aber die Spiegelung am Monitor ist so unangenehm, dass ich lieber im Haus bleibe. Außerdem ist der Verkehrslärm heute überraschenderweise ziemlich laut. Ich höre das Geräusch von Lastautos oder Baumaschinen, die in der Nähe arbeiten. Keine Sonntagsruhe also.
Ich bin mir bewusst, dass viele Menschen unter der Woche arbeiten und so nur die Möglichkeit am Wochenende haben, ihre eigenen Arbeiten zu erledigen. Dass am Sonntag wirkliche Ruhe herrscht, gibt es schon lange nicht mehr. „Ruhe“ scheint unwichtig geworden zu sein. Diese Unrast ist ansteckend. Mag sein, dass ich deshalb jetzt im Moment nicht draußen sitzen will.
Eine kaputte Uhr lässt mich nachdenken
Gestern ist meine Küchenuhr stehengeblieben und war auch durch einen Batteriewechsel nicht mehr in Gang zu bringen. Schon komisch. Was hat mir das zu sagen? Richte ich mich zu sehr nach der Uhr? Dabei habe ich in diesem Jahr die Umstellung auf Sommerzeit verweigert. Für mich gilt immer noch die Normalzeit und das fühlt sich in Bezug auf die Sonne und die Natur viel angenehmer an.
Und doch spüre ich die verschobene Aktivität um mich herum. Da ich bei weit geöffnetem Fenster schlafe, kann ich bemerken, dass der Verkehrslärm schon früher einsetzt. Am Abend dagegen geht mein Vater schon beinahe schlafen, wenn ich mit meiner Hündin die letzte Runde mache. Das ist um acht Uhr Normalzeit der Fall! Aber zu dieser Zeit ist schon fast das Abendprogramm im Fernsehen vorüber, weil die Welt um mich herum schon eine Stunde weiter „voraus“ ist. Wenn ich – nach Normalzeit – so um 11 Uhr abends schlafen gehe, herrscht schon allgemeine Nachtruhe um mich herum. Es ist dann still und alles schläft. In der Früh geht es für die anderen zeitig los und ich bin froh, dass ich noch im Bett liegen bleiben kann, ohne denken zu müssen, dass es schon „so“ spät ist.
Termine mit anderen eine Stunde früher eintragen
Natürlich weiß ich, dass ich Termine mit anderen Menschen immer eine Stunde früher auf meinem Terminkalender eintragen muss und mache mir auch keine Termine vor einer mir angenehmen Uhrzeit aus. Wenn ich unbedingt einmal ein öffentliches Transportmittel zeitig erreichen muss, dann heißt es eben einmal früher aufstehen. Das fällt jetzt im Sommer, wo es schon so früh hell ist, nicht schwer. Überhaupt genieße ich das Leben im Rhythmus der Natur. Das Vogelgezwitscher weckt mich meistens auf, schon bevor es hell wird. Ich liebe das und schlafe oft noch einmal ein. Nur wenn der Kuckuck direkt vor meinem Fenster ruft und ruft und gar nicht mehr aufhören will, dann muss ich lächeln, weil ein Weiterschlafen schwierig wird.
Es ist ein wenig „gewöhnungsbedürftig“ anders zu ticken, als die Welt um mich herum. Aber es ist auch sehr erhellend. Ich erkenne, wie sehr wir alle von der Uhr gesteuert werden. Die Arbeit der meisten Menschen beginnt und endet zu einer bestimmten Zeit, also müssen sie auch zu einer bestimmten Zeit aufstehen und sich auf den Weg zur Arbeit machen. Das scheint so normal, aber wenn man sich außerhalb dieses Zahnrades befindet, bemerkt man erst die Absurdität dieses gesteuerten Lebens. Es geht nicht darum, welche Uhrzeit eine Uhr anzeigt, sondern darum, wie sehr wir uns von ihr steuern lassen.
Die Sommerzeit ist hektisch
Wie bei Zahnrädern üblich, greift eines ins andere über. Während der Sommerzeit öffnen und schließen die Geschäfte früher, die Schulen beginnen früher, am Nachmittag bricht die Hektik aus, weil die Menschen auch noch ihre Freizeitaktivitäten in den Tag einbauen wollen. Die Sommerzeit in Europa ist eine hektische Zeit. Wenn dann wieder die Normalzeit herrscht, wird einen Gang zurückgeschaltet. Von außen betrachtet, kann man es sehen und bemerken. Ich stehe neben diesen sich drehenden Zahnrädern und bemerke jeden Tag, wann sie sich morgens zu drehen beginnen und abends langsam wieder anhalten.
Ich bemerke aber auch, dass die sogenannte „Sommerzeit“ zum großen Teil eine Täuschung der Menschen ist. „Wir haben es abends länger hell“, sagen sie. Und ich? Wird es bei mir, die ich zwar neben den sich drehenden Zahnrädern stehe, aber im gleichen Universum lebe, früher dunkel? Natürlich nicht. Auch ich genieße die längeren Sommertage. Für mich ist der Tag genauso lang oder kurz wie für die Menschen, die krampfhaft versuchen, an der Uhr zu drehen und sich zwingen, jeden Tag zeitig aufzustehen.
Auch ich stehe im Sommer automatisch früher auf. Das ergibt sich von selbst (der oben erwähnte Kuckucksruf hat mich letzten Endes aus dem Bett geholt). Vielleicht benötigen wir im Sommer weniger Schlaf, das ist schon möglich. Heute bin ich nach dem ersten Erwachen zeitig in der Früh, wieder eingeschlafen und wachte erst wieder um halb acht Uhr Normalzeit auf. Ohne schlechtes Gewissen, das sich vielleicht entwickelt hätte, wenn meine Uhr halb neun Uhr Sommerzeit angezeigt hätte.
Ich kann den Abend genießen
Soweit ich bemerkt habe, ist die Sommerzeit für die Menschen einfach stressig. Die meisten Leute laufen der Zeit hinterher, während ich in aller Ruhe meine Dinge erledigen kann. Zur Zeit – Ende Mai – wird es um acht Uhr abends Normalzeit herum finster. Ich beobachte das, weil ich immer mit meiner Hündin um diese Uhrzeit spazieren gehe. Danach bleibt mir noch viel Zeit, den Abend zu genießen, ohne gleich, wie ein kleines Kind, ins Bett gehen zu müssen.
Für mich geht die Sonne haargenau zur selben Zeit unter und auf, wie für alle Menschen in meiner Region. Nur meine Uhr zeigt mir das ganze Jahr über die Normalzeit an, so dass ich daran die Veränderung der Tageslänge besser erkennen und einordnen kann. Ich habe keine Lust, mich selbst zu täuschen und schon gar nicht, mich täuschen zu lassen. Wenn sich die Aktivitäten der Menschen um mich herum verändern durch das Umstellen der Uhren, dann nehme ich das zur Kenntnis und kann damit umgehen.
Die Sommerzeit der anderen zum eigenen Vorteil nutzen
So wie man lernt, sich an andere äußere Umstände anzupassen, so kann ich auch lernen, dass im Sommer die Geschäfte eine Stunde früher aufmachen und schließen. Manche Auswirkungen der Aktivitäten um mich herum finde ich sogar angenehm. Jetzt, wo sich die Zahnräder der Wirtschaft (Arbeit und Freizeit) anders drehen, kann ich mir Vorteile suchen, wenn ich will. Zum Beispiel fangen Abendveranstaltungen jetzt früher an und sind auch früher zu Ende. Das mag ich. Was sich aber niemals in meinem Kopf ändert, ist mein Zeitempfinden, das immer gleich bleibt. Ich finde das angenehm und stabil.
Vielleicht benötigen wir in Wirklichkeit gar keine genaue Zeit. Der Tag selbst könnte unseren Rhythmus vorgeben. Doch bis das einmal möglich sein wird, bleibe ich dabei, den Tag in 24 Stunden einzuteilen, wobei 12 Uhr mittags den höchsten Sonnenstand anzeigt. So fühlte es sich für mich richtig an.
Das könnte dich auch interessieren: Stimme des Herzens oder Verstand?
[…] Das könnte dich auch interessieren: Sommerzeit – ich mache nicht mit […]
[…] ist sommerlich heiß. Ich überlege, ob ich einkaufen fahren soll. Jetzt, um acht Uhr morgens Normalzeit, ist die Luft draußen schon so aufgeheizt, dass ich nicht mehr auf der Terrasse sitzen will und […]